Freude und Faszination am Lebensmittel Milch kann sogar zur Berufung werden.
Der heutige (moderne) Milchtechnologe hat sein berufliches Können ganz dem Rohstoff Milch gewidmet, genau wie der Senner oder Käser früher. Wie hat sich aber die Lehrzeit in all den Jahren verändert?
Die Milch von den gehaltenen Nutztieren wird schon seit langer Zeit verarbeitet. Aus überlieferten Dokumenten weiss man, dass dies meist auf dem Bauernhof selbst gemacht wurde. Eigentliche Käsereien zur Weiterverarbeitung der Milch entstanden erst vor knapp 200 Jahren. In der Schweiz wurde zuerst auf den Alpen während den Sommermonaten gekäst. Die Arbeit wurde vom Senner gemacht. Eine Ausbildung zu dieser Tätigkeit an einer Schule gab es noch nicht, das Wissen über die Arbeit wurde durch Überlieferung jeweils an die nächste Generation weitergegeben. In der Regel war man zuerst Kuhhirte, danach Zusenn und erst wenn man vom vielen Mithelfen und Abschauen die Arbeit selbst erledigen konnte, als Senn auf einer Alp tätig.
Vor 150 Jahren wurden die ersten Molkereischulen in der Schweiz gegründet – somit auch die erfolgreiche Schulung zum Käser mit eidg. Berufsprüfung.
Vor 150 Jahren wurden die ersten Molkereischulen in der Schweiz gegründet – somit auch die erfolgreiche Schulung zum Käser mit eidg. Berufsprüfung.
Im Jahr 1815 wurde in Kiesen die erste schweizerische Talkäserei in Betrieb genommen. Aus unserer eigenen Geschichte des Tilsiters wissen wir, dass 1893 erstmals auf dem Holzhof Tilsiter gekäst wurde. Damals hat man aber bereits in vielen Käsereien vor allem Emmentaler hergestellt. Aufgrund von Qualitätsproblemen beim Käse wurde schon früh vom Handel eine Ausbildung der Senner vorgeschlagen und vor rund 150 Jahren wurden die ersten Molkereischulen in der Schweiz gegründet. Damit war die erfolgreiche Schulung zum Käser mit einer anerkannten eidgenössisch diplomierten Berufsprüfung möglich. Ganz vorne mit dabei in der frühen Käserausbildung sind auch hier wieder Leute aus dem Tilsiter-Umfeld: Hans Wegmüller, der Käsepionier aus dem Thurgau, der zusammen mit Otto Wartmann als Erfinder des roten Tilsiters gilt, gehörte zu den ersten Herren, die die Käsermeister-Prüfung bestanden hatten. Er war auch der Gründer der ostschweizerischen Sektion des Vereins der ehemaligen Schüler der Molkereischule Rütti. Damit ist der Tilsiter-Käser Hans Wegmüller auch in der Aus- und Weiterbildung der Ostschweizer-Käser ein Pionier. Ich persönlich habe noch Personen kennengelernt, die in den 1920er-Jahren für die Lehrzeit bei einem geschulten Käser Geld bezahlen mussten. Von meinem Vater weiss ich, dass die Lehrzeit vor allem auch körperlich anstrengend war, weil die arbeitserleichternden Maschinen meist noch fehlten. Käseschmierroboter, Wendepressen und auch die grossen Käsefertiger waren noch nicht bekannt. Freie Arbeitstage kannte man ebenfalls noch nicht. Gültig war das Motto: Die Kuh gibt 7 Tage Milch, also wird auch 7 Tage gearbeitet.
Das duale System der Ausbildung mit Praxis und begleitender Schultheorie bewährte sich bestens und brachte rundum Erfolg. Der junge Berufsmann war dadurch besser ausgebildet und konnte so auch die Milch- und Käsequalität besser interpretieren, steuern und umsetzen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg spaltete sich aus dem Beruf des Käsers der Molkerist als Spezialist für die neu aufkommenden Milchspezialitäten wie Joghurt, Glace, Cremen, Milchpulver etc. ab. Damit waren auch in der Schweiz erstmals zwei getrennte Berufsbildungsabläufe für die Milchverarbeitung möglich. Interessant war dabei, dass der Schulstoff für beide Berufe noch über Jahrzehnte identisch war. Ich selbst habe als Molkerist die Berufsschule für Käser in Flawil und Rapperswil besucht. Der Molkerist musste in einem zusätzlichen 4. Lehrjahr in Olten die theoretischen Kenntnisse für die Milchspezialitäten dazulernen. Die körperlich anspruchsvolle Arbeit in der Käserei mit den teils übergrossen Käselaiben brachte es auch mit sich, dass fast nur Männer den Beruf als Käser erlernt haben. Auffallend viele Schwinger kamen aus diesem anforderungsreichen körperlichen Tätigkeitsumfeld. Wir reden daher nicht ohne Grund vom Sennenschwinger.
Früher ein reiner Männerberuf – heute lernen zusehends auch Frauen den Beruf der Milchtechnologin
Ab dem Jahr 2000 wurde aus den beiden Berufen Molkerist und Käser neu der Milchtechnologe, der nun wieder für beide Fachrichtungen Käse- und Molkereispezialitäten greift. Heute kann die praktische Berufsausbildung in einem kleineren oder grösseren Milchverarbeitungsbetrieb absolviert werden. Die theoretischen Kenntnisse werden sowohl in Blockkursen wie auch im wöchentlichen Unterricht in der Berufsschule vermittelt.
Die Ausbildung ist sehr breit aufgestellt und umfasst neben der eigentlichen Milch- und Käsekunde und den üblichen Bildungsfächern vom Rechnen über Marketing heute auch Chemie und Physik. Dank dem technischen Fortschritt in den Lehrbetrieben können resp. müssen die anfallenden Arbeitsschritte immer mehr von Maschinen und komplexen Anlagen übernommen werden. Dies ermöglicht , dass zusehends mehr Frauen diesen Beruf erlernen. Dass sie die Arbeit mindestens genauso gut im Griff haben wie die Männer, beweist der letzte Swiss-Skills-Wettbewerb der Milchtechnologen 2019 in der Ostschweiz. So ist aktuell eine Frau die erste Schweizermeisterin in eben diesem Swiss-Skills-Wettbewerb.
Massgeblichen Einfluss auf den späteren Erfolg im Berufsleben hat natürlich nicht allein der gut gefüllte Berufs- und Wissensrucksack des Lernenden, sondern vor allem auch die Freude an der gewählten Tätigkeit. Mit Milch arbeiten zu dürfen gehört für mich zu einem immer wieder neuen und höchst interessanten Berufsbild. Nicht nur das Medium Milch, eben auch das Umfeld ändert sich ja laufend und stellt immer wieder andere Aspekte in den Vordergrund. Mal fordert die Qualität vollen Einsatz, weil etwas nicht wie geplant abläuft, mal sind es Kunden, die spezielle Wünsche haben, oder aber der stetige Kostendruck verlangt andere innovative neue Abläufe. Mit neuen Milchprodukten versucht man, den Konsumenten im In- wie Ausland am Markt zu überzeugen. So bleibt es spannend und anforderungsreich.
Die Zukunft wird es zeigen – mit der Hoffnung auf das altbekannte Sprichwort: «Handwerk hat goldenen Boden»
Wie sich der Beruf des heutigen Milchtechnologen der weiteren Zukunft anpasst, steht natürlich noch in den Sternen. Bereits heute wissen wir, dass sich unsere Welt stets mehr und mehr digitalisiert und arbeitstechnisch globalisiert. Die tägliche Arbeit um die Milch wird künftig noch intensiver vom Computer und von hochkomplexen Anlagen und Steuerungen übernommen. Aber ich bin überzeugt, dass dabei der Mensch nicht komplett abgelöst oder gar ersetzt werden kann. Die Arbeit selbst wird sich wandeln, neue Produkte werden kommen und der Mensch wird mit seinem Verhalten am Markt mitentscheiden, was Erfolg hat oder halt wieder vergessen wird. Ob die immer grösseren Betriebe auch in der Zukunft noch so kräftige und wendige Schwinger hervorbringen werden, wird sich zeigen. Genügend Zeit für ein passendes Training sollte eigentlich da sein, dafür sorgen ja nun die Maschinen.
Ich bin überzeugt, dass sich auch das künftige «Käserhandwerk» derart anpassen wird, dass der Spruch «Handwerk hat goldenen Boden» weiterhin Bestand hat.