Mikrobiom und Käse: Du bist, was du isst.
Mikrobiom Mensch
Vielleicht haben Sie bereits vom menschlichen Mikrobiom gehört. Hierbei handelt es sich um die Gesamtheit aller Mikroorganismen, welche den menschlichen Körper besiedeln. Die meisten dieser Mikroorganismen leben im Darmtrakt (Darmflora). Daneben besiedeln sie aber auch die Hautoberflächen und alle Körperhöhlen wie Mund, Rachen, Nasenhöhlen usw. Insgesamt beherbergt der Mensch ca. 39 Billionen Mikroorganismen, d. h. mehr als die Anzahl Zellen im menschlichen Körper.
Mikrobiome beeinflussen unsere Gesundheit
Bei vielen den menschlichen Körper besiedelnden Mikroorganismen hat sich im Verlauf der Evolution durch Langzeitanpassung eine symbiotische Beziehung zu ihrem Wirt, dem Menschen, entwickelt. Gewisse Bakterien werden sogar bereits bei der Geburt des Menschen von der Mutter auf das Kind übertragen und bilden von Beginn an eine wichtige Stütze für die menschliche Gesundheit. Vielleicht haben Sie das schon erlebt, wie Ihr Verdauungssystem nach einer Antibiotika-Behandlung aus dem Gleichgewicht kam und sich erst nach längerer Zeit wieder einregulierte. Auch wenn viele Details heute noch nicht bekannt sind, so kann doch mit Sicherheit gesagt werden, dass sich eine Störung des menschlichen Mikrobioms immer auch direkt auf die Gesundheit des Menschen auswirkt, ja sogar dessen Psyche negativ beeinflussen kann.
Mikrobiom Milch
Bei Käse ist das ganz ähnlich. Käse ist ja nicht einfach geronnene, gesalzene und gelagerte Milch. Bereits die zu Käse verarbeitete Milch ist mit verschiedenen Mikroorganismen besiedelt. Sie stammen vom Melkvorgang oder werden durch die nachfolgenden Lager- und Transportsysteme auf die Milch übertragen. Bei einer guten Hygienepraxis handelt es sich um für den Menschen harmlose Bakterien. Trotzdem kann der Befall der Milch mit krankheitserregenden Keimen nicht vollständig ausgeschlossen werden. Bei der Herstellung von Tilsiter wird darum die Milch vorgängig thermisiert, d. h. für kurze Zeit auf rund 65 Grad C erwärmt. Für die Herstellung von Pasttilsiter wird sogar noch höher auf rund 72 Grad C erhitzt. Besonders bei der Thermisierung bleiben einige harmlose Bakterien erhalten, welche später für die Käseproduktion und vor allem dann für die Käsereifung sehr wichtig sind.
Mikrobiom Käse
Wer hat das noch nicht erlebt? Naturbelassene Milch wird bei längerer Lagerung spontan sauer. Grund dafür sind die natürlicherweise in Milch enthaltenen Milchsäurebakterien. Für die Herstellung von Käse war diese spontane Säuerung schon immer ein zentraler Punkt. Die Säuerung verhindert das Wachstum von anderen unerwünschten Keimen und ist generell wichtig für den Verkäsungsprozess. Durch die immer besser werdende Hygiene und natürlich auch durch die der Verkäsung vorgeschaltete Erhitzung der Milch ist die Anzahl der natürlichen Milchsäurebakterien zu tief, um einen sicheren Verkäsungsprozess zu gewährleisten. Darum wird heute der zu verkäsenden Milch am Anfang des Prozesses eine sogenannte Starterkultur zugegeben. Der grösste Teil der Kultur besteht aus Milchsäurebakterien, welche je nach Käsesorte mit weiteren für die Verkäsung nützlichen «Spezialisten» ergänzt werden. Erstere beginnen bereits vor der Einlabung mit ihrer Arbeit. Im jungen Käse führen sie dann noch vor dem Salzbad zu einer raschen Säuerung. Die ergänzenden Spezialisten übernehmen dann nach dem Salzbad sukzessive ihre Arbeit. Sie werden zusätzlich unterstützt von den noch vorhandenen Bakterien aus der Rohmilch. Diese Bakteriengruppe ernährt sich nicht mehr aus dem Milchzucker, stattdessen sie sondert Enzyme ab, welche das Milcheiweiss in verwertbare Spaltprodukte aufschliessen – der Käser spricht hier vom sogenannten Proteinabbau. Der Proteinabbau führt einerseits zu einer Veränderung der Proteinstruktur (Weichkäse wird z. B. erst dadurch weich), andererseits führt das Spaltprodukt Ammoniak zu einer Entsäuerung des Käseteiges. Zusätzlich zur Entsäuerung entstehen auch die für Käse so wichtigen Aromastoffe sowie Gase, welche sich je nach Käsesorte bzw. Verkäsungsprozess voneinander unterscheiden. Hier liegt auch der tiefere Grund, warum sich die verschiedenen Käsesorten geschmacklich voneinander unterscheiden und warum z. B. die einen Löcher haben und die anderen nicht.
Warum Käse aus verschiedenen Käsereien sich immer leicht unterscheiden
Bei geschmierten Käsen wie unserem Tilsiter kommt nun noch ein weiteres Element zum Tragen: Mit dem Anschmieren des jungen Käses gelangen weitere Bakterien auf die Käseoberfläche. Auch sie sondern Enzyme ab, welche für die folgende Käsereifung sehr wichtig sind. Der Käser spricht hier von sogenannten Schmierebakterien. Obwohl sie teilweise wie beim Beginn des Käseprozesses noch durch eine spezielle zugesetzte Schmierekultur ergänzt werden, sind sie doch in der Käserei überall vorhanden, ja sie gehören sogar zum eigentlichen Mikrobiom der Käserei und werden so auf das Mikrobiom des Käses übertragen. Dies ist ein weiterer Grund, warum sich trotz identischer Produktionsparameter Käse aus verschiedenen Käsereien immer leicht unterscheiden.
Mikrobiom und Käsequalität
Zu Beginn dieses Blogs haben wir darauf hingewiesen, dass der Mensch bei der Störung seines natürlichen Mikrobioms krank wird. Beim Käse ist das nun genau dasselbe und auch Käse kann «krank» werden, wenn er sich von seiner natürlicherweise erwünschten Beschaffenheit wegentwickelt. Wenn z. B. mit der Milcherhitzung vor der Verkäsung ein Teil der Milchsäurebakterien und auch der Spezialisten inaktiviert werden, dann müssen diese durch die Zugabe von speziellen Käsereikulturen ersetzt werden, da sonst unerwünschte Keime das «Zepter» übernehmen und den Käse verderben. Es gibt aber auch Bakterien, welche trotz intakter Säuerung im späteren Reifeprozess unerwünscht sind und im schlimmsten Fall den Käse ungeniessbar machen. In diese Gruppe fallen z. B. gasbildende Buttersäurebakterien. Sie blähen den Käse auf und die stinkende Buttersäure trägt das Ihrige dazu bei, dass der Käse ungeniessbar wird.
Warum wir «silofreie» Milch verarbeiten
Die besagten Buttersäurebakterien werden übrigens häufig über das Stallklima bei der Milchproduktion auf die Milch übertragen, wenn den Kühen siliertes Futter verabreicht wird. Dies ist auch der Grund, warum für die traditionelle Käseherstellung wie z. B. unserem Rohmilchtilsiter generell sogenannte «silofreie» Milch verarbeitet wird. Für pasteurisierte Käse wie unsere 3 milden Tilsiter-Typen Grün, Gelb und Blau ist das etwas weniger wichtig, denn mit der Erhitzung werden lebende Buttersäurebakterien inaktiviert und auch allfällige vorhandene Sporen werden durch einen intensiven Zentrifugationsprozess in sogenannte Bactofugen eliminiert. Zudem reichen die gegenüber Rohmilchkäse vergleichbar kurzen Reifezeiten nicht aus, damit allfällige trotzdem noch vorhandene Sporen auskeimen und den Käse verderben können. Für die Produktion unserer pasteurisierten Sorten kann darum ohne Weiteres sogenannte «Silomilch» verwendet werden.
Mikrobiom Käserei
Wie erwähnt trägt jede Käserei ihr eigenes Mikrobiom, welches sich von Käserei zu Käserei unterscheidet. In letzter Zeit wurde einiges über die sogenannten Listerien berichtet. Listerien kommen überall in der Natur vor und sind für sich genommen unproblematisch. Zum Problem werden sie erst dann, wenn sie über verschmutzte Kühe oder ein ungünstiges Stallklima in die Milch und von da in die Käserei gelangen. Listerien werden zwar durch die in der Halbhart- und Hartkäserei angewendeten Produktionstemperaturen sicher inaktiviert. Sind sie aber einmal in der Käserei, dann können sie zum echten Problem werden, denn Listerien können auch bei korrekt eingehaltenen Kühltemperaturen wachsen und so ein Lebensmittel verderben. Besonders gefährlich werden Listerien in Weichkäse, denn durch die dort üblichen relativ tiefen Verarbeitungstemperaturen können sie nicht inaktiviert werden.
Wann sind Listerien gefährlich?
Listerien dürfen also weder im Mikrobiom der Käserei noch in den durch sie produzierten Käsen auftreten. Alle unsere Tilsiter-Käsereien werden über ein durch die Sortenorganisation überwachtes Listerien-Monitoring überwacht. Sollten über diese Kontrollen Listerien oder auch nur damit artverwandte Keime gefunden werden, dann werden alle produzierten Käse umgehend gesperrt und die Käserei von Grund auf saniert. Es gibt sogar Fälle von Käsereien, welche aufgrund von Listerien-Problemen geschlossen oder sogar abgebrochen werden mussten.
Mikrobiom: Vom Käse zum Menschen
Last, but not least gibt es auch noch einen weiteren Zusammenhang zwischen dem Mikrobiom des Käses und jenem des Menschen. Mit dem Käsegenuss gelangen ja das Mikrobiom des Käses und die durch das Mikrobiom produzierten Stoffwechselprodukte in den menschlichen Körper. Dies kann sich bereits im Mund positiv auswirken, da z. B. Personen, die regelmässig Käse geniessen, weniger Probleme mit Karies haben. Vor allem aber sind jene Bakterien von Bedeutung, welche das menschliche Verdauungssystem durchwandern und im Dickdarm weiter arbeiten. Dort helfen sie, zusammen mit den anderen natürlicherweise im Darm angesiedelten Bakterien, die aufgenommene Nahrung zu verdauen, sprich in Bestandteile aufzuspalten, welche noch im Dickdarm aufgenommen und in die menschliche Physiologie eingeschleust werden. Auch hier steht die Forschung noch ganz am Anfang, es gibt aber Hinweise darauf, dass auch diese Kulturen aus Käse einen ausgesprochen positiven Effekt auf die menschliche Gesundheit haben.
Zu guter Letzt
Wir hoffen, Sie mit unserem Blog nicht allzu fest verwirrt zu haben, vor allem aber wollten wir Sie nicht verunsichern. Denken Sie bei Ihrem nächsten Genuss eines feinen Stück Tilsiters einfach daran, was für ein wertvolles Naturprodukt das doch ist, welches nicht nur gut schmeckt und sättigt, sondern letztlich auch Ihrem Körper etwas Gutes tut.