Wie Tilsiter durch die Kriegsjahre kam und erstmals seine rote und grüne Laibetikette erhält
In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts erlebte die Schweiz nicht nur zwei Weltkriege, sondern auch eine Zwischenkriegszeit, die eine schwere Wirtschaftskrise und grosse politische Verunsicherung brachte. Zwar blieb die Schweiz von beiden Kriegen verschont, dennoch wurde das Land stark von den politischen Geschehnissen im Ausland beeinflusst. Erklärtes Ziel war es, die Unabhängigkeit zu bewahren und nicht in das Kampfgeschehen zu geraten.
Um die Gefahr einer Invasion zu minimieren, erhöhte die Schweiz das Verteidigungsbudget, intensivierte die Ausbildung der Soldaten und traf bauliche Massnahmen zur Landesverteidigung.
Im März 1939 wurden Reservisten zum Schutz der Grenze zu Deutschland aufgeboten. Die Bevölkerung wurde dazu aufgefordert, Notvorrat zu lagern und Schutzräume für den Fall von Luftangriffen einzurichten. Weiter wurde in der sogenannten «Anbauschlacht» jedes verfügbare Stück Land in Ackerland (vorwiegend für den Anbau von Kartoffeln) verwandelt, um die Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen.
Und wie erging es nun dem Tilsiter in den Jahren des Zweiten Weltkrieges und danach?
1938
Im Jahr 1938 erfolgt der Aufbau einer kriegswirtschaftlichen Schattenorganisation, der auch die Tilsiter-Käserei unterstellt war.
1941
Der Schweizer Tilsiter und andere Käsesorten werden der kriegswirtschaftlichen Bewirtschaftung im Rahmen der Rationierung mit Ablieferungspflicht unterstellt. Die Sicherung der Schweizer Interessen steht dabei im Vordergrund.
1948
Im Jahr 1948 erfolgt die Gründung der Tilsiter Marktordnung als zivilrechtliche Nachfolgeorganisation der kriegswirtschaftlichen Ordnung mit Sitz in Bern, allerdings noch ohne eigene Rechtspersönlichkeit.
Ein Jahr später wird mit rund 5300 Tonnen die höchste jemals erfasste Produktionsmenge für den traditionellen Rohmilch-Tilsiter festgestellt.
1951
Erfassung von ersten kleineren Mengen Tilsiter aus pasteurisierter Milch. Deutliche und rasche Ausdehnung der Mengen ab 1950.
1955
gibt es insgesamt 210 Käsereien, die mehr als 50 Prozent ihrer Produktion als Tilsiter ablieferten (St.Gallen-Appenzell: 81, Thurgau: 67, Nordostschweiz-Winterthur: 51, übrige Gebiete: 11)
1960
Die Schweizer Käsewirtschaft verliert sukzessive Marktanteile an Importkäse. Der Importanteil liegt bereits bei 14,5 Prozent. Es erfolgt die Positionierung des günstiger herstellbaren Tilsiters als Alternative zu den steigenden Importmengen, aber vorerst noch keine visuelle Differenzierung am Markt.
Die ersten Schritte in Richtung der Marke «Tilsiter»
1964
werden erste Schritte in Richtung Markengebung für den Schweizer Tilsiter unter dem Oberbegriff «Tilsiter Markierung» unternommen.
1966
ist es dann so weit: Erstmals werden die Tilsiter-Laibetiketten Rot (Rohmilch-Tilsiter) und Grün (Past-Tilsiter) gedruckt – damit wird eine klare qualitative Unterscheidung der beiden Typen möglich.
Die Tilsiter-Geschäftsstelle wird von Bern nach Weinfelden verlegt.
Walter Diethelm wird der erste Geschäftsführer. Er legt den Fokus klar auf die Förderung und Vereinheitlichung der Qualität des Schweizer Tilsiters. Erstmalige Erwähnung des «Propagandabeitrags» zur Finanzierung von Tilsiter-Werbemassnahmen.
1967
werden Tilsiter-«Kasein-Plättchen» zur Kennzeichnung von Tilsiter-Käse ab Produktion eingeführt. Die Konkurrenz wird währenddessen immer stärker und es sind grosse Mengenverluste infolge der günstigen Importe von Tilsiter-ähnlichem Käse zu verzeichnen.
Das Produktionskontingent von Rohmilch-Tilsiter reduziert sich auf 80 Prozent der Basismengen. Dagegen wird ein stetiges Wachstum beim Past-Tilsiter auf über 1800 Tonnen verzeichnet, damit entfällt bereits mehr als ein Drittel der Jahresmenge auf den Past-Tilsiter.
Immer wieder gibt es Anläufe von einzelnen Verbänden, die Markierung von Past- und Rohmilch-Tilsiter mit nur noch einer einzigen Einheitsetikette zu bewerkstelligen. Der traditionelle Rohmilch-Tilsiter steht in direkter Konkurrenz zum milderen und günstiger produzierbaren Past-Tilsiter.
1968
erreicht die Produktionsmenge des Rohmilch-Tilsiters mit nur noch rund 3000 Tonnen pro Jahr einen Tiefpunkt. Es erfolgt eine progressive Unterstützung von Verbilligungsaktionen durch den Bund, was sich sofort auf die Produktionsmengen auswirkt.
Im nächsten Teil unserer Serie zeigen wir, wie der grüne und der gelbe Tilsiter in den 1960er- und 70er-Jahren den Markt eroberte, die Produktionsmengen Höchststände erreichten und welche Plakate es an den Strassen zu entdecken gab.