Der Ursprung des Schweizer Tilsiters: die Käserei Holzhof im Thurgau

Wir spulen die Zeit ins Jetzt vor: Otto Wartmann führt mit seiner Frau Claudia den Familienbetrieb in der 5. Generation. Seine Vorfahren brachten das Rezept des Tilsiters in die Ostschweiz und produzierten erstmals 1893 den Schweizer Tilsiter. Der Ururneffe des Tilsiter-Pioniers Otto Wartmann, Otti Junior (6. Generation), absolvierte ebenfalls die Ausbildung als Milchtechnologe. Die Käserzukunft ist also gesichert …
Die Käserei Holzhof ist heute die älteste Tilsiter-Käserei der Schweiz.

Otto Wartmann, Käsermeister und Inhaber der Käserei Holzhof, über die Geschichte seiner Familie

Seit 1869 wird auf dem Holzhof ununterbrochen Käse hergestellt, heute in der fünften Generation. Ein Kuriosum war, dass der Holzhof der einzige Betrieb weit und breit war, dessen Besitzer gleichzeitig Milchkäufer und Milchlieferant war. Sohn Adolf vergrösserte den Betrieb auf rund 30 Hektar und ging zur reinen Milch- und Graswirtschaft über, während sein Bruder Otto ein bald schon blühendes Käseexportgeschäft in Weinfelden startete. Er wurde ein führender Milchwirtschafter der Schweiz. 1893 stellte er in der Käserei Holzhof den ersten Tilsiter der Schweiz her. Diesen Verdienst teilte er mit einem anderen Thurgauer Käser, Hans Wegmüller vom Herrenhof bei Münsterlingen. Während seinen Gesellenjahren in Ostpreussen lernte Otto die Tilsiter-Fabrikation kennen. Der Tilsiter hat seinen Namen vom Städtchen Tilsit an der Memel. Verarmte Schweizer hatten die Kunst des Käsens dorthin gebracht. Otto propagierte den neuen Käse, indem er versuchte, möglichst viele Käser für die Tilsiter-Herstellung zu gewinnen. Der Thurgau wurde so zum «Tilsiter-Land», zur Heimat des Tilsiters.

Fortbestand gewährleisten

Der Vertreter der dritten Generation Otto (1890–1959) führte die Käserei und einen Teil des Landwirtschaftsbetriebes weiter (der andere Teil wurde seinem jüngeren Bruder Karl übergeben). Seine Leidenschaft war die Politik. Als führender
Bauernpolitiker blieb er bis zu seinem Tod im Nationalrat. Sein Sohn, mein Vater Otto (1917–1985), modernisierte die Käserei von Grund auf.
Um den Fortbestand des Familienunternehmens zu gewährleisten, haben wir uns entschieden, eine gewerbliche Käserei zu bleiben. Wir hoffen, dass wir uns mit unseren Produkten, dem Rohmilchtilsiter und dem Original Holzhofer in verschiedenen Reifegraden und Affinagen, auch in Konkurrenz mit den vielen neu entstandenen Grossbetrieben behaupten können.
Die Rohmilchtilsiter vom Holzhof gelangen nach fast zwei Monaten im eigenen Keller zu unserem Käsehändler, der Emmi, die ihn in ihren eigenen Anlagen weiter ausreifen lässt und in einem Alter von 2,5 bis 4 Monaten zum Detaillisten bringt.

Ständige Qualität

Unsere Devise bei der Käseherstellung lautet: höchste Qualität zu Konkurrenzpreisen, konsequente Rücksicht auf Umweltverträglichkeit, artgerechte Tierhaltung, Nachhaltigkeit durch Berücksichtigung der Kundenwünsche und ein gutes Arbeitsklima.
Die 2,2 Millionen Liter Milch pro Jahr, die hier verarbeitet werden, kommen von 8 Bauern aus der nahen Umgebung – einer dieser Betriebe ist der Holzhof selber –, wodurch lange umweltbelastende Transportwege vermieden werden können. Und einmal mehr wirken sich hier die Vorteile des überschaubaren Kleinbetriebes aus: Die Bauern aus der Umgebung, die ihre Milch für den Tilsiter und den Holzhofer liefern, sind eine Gemeinschaft, in der jeder jeden kennt, und sie alle sind sich der Bedeutung eines einwandfreien Vorzugsproduktes bewusst. Ihr Käse ist kein Massenprodukt, und sein individueller Charakter wird täglich von Fachleuten und kritischen Kennern geprüft.

Und wie erging es Otto Wartmann der ersten Generation, einem unserer Tilsiter-Pioniere?

Lebenslauf von Otto Wartmann, dem Netzwerker

1860
Otto Wartmann wird als Sohn des Landwirtes Emil Wartmann vom Holzhof/Bissegg TG geboren, der 1869 im Holzhof neben seinem Landwirtschaftsbetrieb eine Käserei errichtet. Davor betrieb er neben der Landwirtschaft noch eine Gaststätte, eine Brauerei und eine Stärkefabrik.

ca. 1876
Nach dem Besuch der Primar- und Sekundarschule folgt ein Aufenthalt in einem landwirtschaftlichen Gut im Welschland mit Käseeinkauf für eine italienische Grosshandlung. Später erlernt er die Gruyère-Fabrikation im Freiburgischen und befasst sich dann auf dem Holzhof mit der Emmentaler-Produktion.

1884
Otto Wartmann kauft die Käserei Engwilen TG.

1887
Otto Wartmann übernimmt von seinem Vater die Käserei auf dem Holzhof, die Milch lässt er durch angestellte Käser verarbeiten, ebenso die Milch von Weinfelden und Boltshausen TG.

1889
Gründung der Käsehandlung Wartmann in Weinfelden. Die Käserei im Holzhof betreibt er mit Pachtkäsern.

1890
Otto Wartmann macht Geschäftsreisen ins Ausland, darunter auch nach Ostpreussen und nimmt an internationalen Milchwirtschaftskongressen teil. Er zieht nach Weinfelden TG.

1893
Otto Wartmann stellt auf dem Holzhof erstmals Schweizer Tilsiter her.

1900
Er kauft von einem Verwandten die Grubmühle in Märstetten und richtet dort eine Käserei ein.

1901
Otto Wartmann tritt als Milchkäufer zurück. Nachdem sich niemand gemeldet hatte, übernimmt der Bruder Adolf Wartmann die Käserei, allerdings widerwillig.

1904
Adolf Wartmann will trotz steigender Milch- und Käsepreise die Käserei nicht weiterführen, also verpachtet er den Betrieb an einen mit Otto befreundeten Käser.

1908
Adolf Wartmann übernimmt die Käserei im Holzhof wieder und vergrössert den Betrieb auf 30 Hektar mit reiner Milch- und Graswirtschaft.
Die Käsereigesellschaft tritt dem Thurgauischen Milchproduzentenverband bei. Otto Wartmann baut sein blühendes Käserhandelsgeschäft in Weinfelden aus.

1911
Otto Wartmann tritt dem Vorstand des Verbandes der Schweizer Käseexporteure VSKE bei. Er wirkt auch als Aktuar des kantonalen und schweizerischen Milchwirtschaftlichen Vereins, ist eifriger Artikelschreiber und Referent in Sachen Förderung der Milchqualität. An Milchwirtschaftsausstellungen zeigt er seine Produkte und stellt sich als Experte zur Verfügung. In Weinfelden gründet er die Käserbörse und regt den Bau des Postgebäudes und des alkoholfreien Volkshauses an.

1914
Beginn Erster Weltkrieg, Einführung Abgabepflicht für Milch und Käse.

1918
Ende des Ersten Weltkrieges, Generalstreik. Drastische Ausdehnung der Milch- und Käseproduktion bei entsprechend sinkendem Preisniveau.

1936
stirbt Otto Wartmann.

Otto Wartmann der fünften Generation

Wir durften Otto Wartmann, zwei seiner Söhne (Richi und Otti Junior 6. Generation) und seinen Mitarbeitern bei einem Frühstück Gesellschaft leisten.

Im nächsten Teil unserer Serie erfahren Sie, wie es ab 1938 mit unserem Tilsiter weiterging